Erstmalig zertifizierte die DGNB ein Konversionsprojekt

Auf der internationalen Immobilienfachmesse Expo Real überreichte der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB), Prof. Dr. Bernhard Bürklin, am 5. Oktober zum ersten Mal eine Zertifizierungsurkunde für ein nachhaltiges Stadtquartier auf einem ehemaligen Militärgelände. Die Ehrung für das 60 Hektar große, bundesweit einzigartige Vorzeigeprojekt, das vorbildlich Ökonomie und Ökologie vereint, nahm die Babenhausener Bürgermeisterin Gabriele Coutandin entgegen. Die im Konsens geschaffene Wertstabilität mit Zukunftsausrichtung stellt eine solide Basis für Investoren mit Weitblick dar, bietet aber auch einen überdurchschnittlich großen Anreiz für zukünftige Bewohner und gewerbliche Nutzer.
Erstmalig zertifizierte die DGNB ein Konversionsprojekt

Babenhausen / Frankfurt/Main / München.- Im Anschluss an die Verleihung der Urkunde auf dem Gemeinschaftsmessestand der NH Projektstadt sowie der Städte Babenhausen, Nidderau, Kelsterbach und Raunheim beleuchteten die Akteure in einer Gesprächsrunde unter Moderation von Monika Fontaine-Kretschmer (Leiterin des Fachbereichs Städtebauliche Maßnahmen NH ProjektStadt) die Genese und zukünftige Entwicklung dieses einzigartigen Pilotprojekts: Bürgermeisterin Gabriele Coutandin, der Vorstand der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) Axel Kunze, Ursula Scherer-Kammler (DGNB-Konformitätsprüfung), Dr. Jürgen Schmitt (Projektleiter NH ProjektStadt), Rolf Messerschmidt (Auditor, Eble Architektur), Prof. Thomas Dilger (Geschäftsführer Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte / Wohnstadt).

Dabei galt es zunächst für alle Beteiligten, einen Blick zurückzuwerfen: Der Rückzug der amerikanischen Streitkräfte brachte für die 16.500-Einwohner-Stadt Babenhausen neue Herausforderungen mit sich. 60 Hektar Kasernenfläche und rund 84 Hektar Truppenübungsgelände müssen einer zukunftsorientierten zivilen Nutzung zugeführt werden. Diese soll zudem stadtentwicklungspolitisch überzeugen und marktgängig sein. Zur citynahen vormaligen Militäranlage gehören Wohnungen, Fahrzeughallen, Tankstellen sowie Verwaltungs- und Versorgungsgebäude, die zum Teil als historische Einzelkulturdenkmale unter Schutz stehen. Bereits Ende 2009 entschied die Stadtverordnetenversammlung, dass auf dem Areal ein „Quartier für nachhaltiges Wirtschaften, Arbeiten und Wohnen“ entstehen soll. Damit wollte Babenhausen von vorneherein aktiv ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen begegnen und einen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen leisten.

Wohnen und Arbeiten, gepaart mit Natur und Nachhaltigkeit
Das Gebiet an der Aschaffenburger Straße umfasst zukünftig vier Teilbereiche mit unterschiedlichen Nutzungsschwerpunkten: Die historische Kaserne soll sich in ein Kreativquartier mit Schwerpunkt Büro, Kultur, Bildung und Dienstleistung verwandeln. Auf dem einstigen technischen Bereich entsteht ein Areal mit den Schwerpunkten Arbeiten und Gewerbe, während auf der ehemaligen Housing Area ein Wohnviertel angedacht ist. Auf diese Weise stehen künftig rund 19 Hektar zum Arbeiten und rund 12 Hektar zum Wohnen zur Verfügung, ergänzt durch soziale Infrastruktur wie eine Schule und Kinderbetreuungseinrichtungen. Herzstück soll eine weite, offene Wiesenfläche werden – mit eingestreuten kleineren Spielflächen und thematischen Ergänzungen wie z. B. Wasserspiele, Kletterhügel oder Landschaftslabyrinth. Sie verbindet zudem die ehemaligen Kasernen-Areale und die Kernstadt mit den südlich und östlich gelegenen Naturgebieten.

Natur und Umwelt stehen generell im Fokus des Modellprojekts: Auf dem ehemaligen Truppenübungsgelände südlich der Kaserne haben sich im Laufe der Jahre seltene Vogelarten angesiedelt und eine besondere Vegetation entwickelt. Daher ist das Gelände „In den Rödern“ seit 2008 als Natura-2000-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat- sowie Vogelschutzgebiet) ausgewiesen. Der Bundesforst und die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Darmstadt-Dieburg wollen diesen wertvollen Lebensraum weiterhin pflegen und schützen. Sie planen daher eine Beweidung durch Przewalski-Pferde – Wildpferde, die in freier Wildbahn fast ausgestorben sind.

Zur nachhaltigen Gesamtentwicklung des Geländes zählten schon beim Planungsstart natürlich vorrangig energetische Qualitätsziele: So wird der Energiebedarf durch erneuerbare Energien gedeckt werden. An diesem ambitionierten Ziel arbeitete ein interdisziplinäres Team verschiedener Fachbüros.

Alle Faktoren, die zur Erhaltung von Umwelt und Natur, Schonung der Ressourcen und somit zur Nachhaltigkeit beitragen, zuzüglich der sozialen Komponeneten, führten letztendlich zur erfolgreichen Auditierung und Zertifizierung durch die DGNB.

Solide Basis mit Wertstabilität für Investoren
„Mit dem durch die DGNB-Zertifizierung erlangten Alleinstellungsmerkmal ist dieses einzigartige Konversionsprojekt auch für Investoren mit Weitblick mehr als interessant“, konstatiert Monika Fontaine-Kretschmer, NH ProjektStadt, in der Gesprächsrunde. Für deren Planungssicherheit sei zudem relevant, dass die ambitionierten Ziele in vollem Umfang auch von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin des Areals mitgetragen werden. „Gemeinsames Ziel der Stadt Babenhausen und der BImA ist es, einen hohen Standard für eine nachhaltige Entwicklung der ehemaligen Kasernenfläche zu erreichen“, erläuterte BImA-Vorstand Axel Kunze in der Runde.

Für die Stadt ist Kooperation mit allen Institutionen ein wichtiger Baustein für die erfolgreiche Entwicklung des Quartiers. „Wir sind sehr zufrieden, dass wir diesen innovativen Weg gemeinsam mit der BImA und der DGNB gehen können“, so Gabi Coutandin. Sie schätzt auch in diesem Zusammenhang die breite politische Zustimmung für den Rahmenplan: „Für uns war klar, dass wir eine solche Entscheidung nicht mit knappen Mehrheiten treffen können. Für ein so großes Projekt brauchen Investoren die Sicherheit, dass Planungen nicht nur auf aktuelle politische Mehrheiten bauen, sondern auch über mehrere Legislaturperioden Bestand haben.“

Nachhaltige Stadtentwicklung als unverzichtbares Instrument
Prof. Thomas Dilger sieht sich mit seinem Experten-Team der NH ProjektStadt in Sachen nachhaltige Stadtentwicklung schon lange als „Rufer in der Wüste“: Erst durch die Umnutzung von ehemals exterritorialem Gelände, das nun im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege“ citynah ausgebaut werden könne, sei man auch in der Lage, ganze Quartiere – und nicht nur vereinzelte Gebäude – von Beginn der Planungsphase an nachhaltig strukturieren zu können. Der nun gemeinsam mit Babenhausen erzielte Erfolg sei als weiterer Meilenstein zu werten.

Projektbeteiligte
Die Arbeitsgemeinschaft 711LAB und metris architekten zeichnete für den Städtebau verantwortlich. Dabei entwickelten sie die Ideen aus dem europäischen Architektur- und Städtebauwettbewerb EUROPAN 9 zum Thema „European urbanity – Nachhaltige Stadt und neue urbane Räume“ kontinuierlich weiter. Die Arbeitsgemeinschaft hatte beim Wettbewerb bereits mit einem Entwurf des Wettbewerbsgebiets Kasernenareal in Babenhausen einen 1. Preis erzielt. Für das Freiraumkonzept wurde das Büro Hanke, Kappes + Kollegen Landschaftsarchitekten beauftragt. Das Büro Re2area, auf Revitalisierung vorgenutzter Standorte spezialisiert, erarbeitete das Erschließungskonzept und die Wirtschaftlichkeitsberechnung. Ebenso beriet es – in Kooperation mit dem Büro Joachim Eble Architektur – in Fragen der Nachhaltigkeit. Die juristische Beratung erfolgte durch die Hanauer Kanzlei Nickel Rechtsanwälte. Zudem beteiligte sich auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Eigentümerin des Militärgeländes aktiv an den Diskussionen im Planungsteam und übernahm einen Teil der Planungskosten. Gesteuert wird der komplexe Planungsprozess von der NH ProjektStadt.

Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB)
Das DGNB Zertifizierungssystem wurde von der DGNB in kooperativer Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ins Leben gerufen. Als leistungsstarkes Instrument dient es bisher der Planung und Bewertung von nachhaltigen Gebäuden. Jetzt geht die DGNB den Schritt vom Gebäudezertifikat hin zu einer Zertifizierung ganzer Stadtentwicklungsprojekte: Die Pilotphase für das Nutzungsprofil „Neubau gemischte Stadtquartiere“ wird gerade an den Start gebracht. Seit Februar 2011 ist die Anmeldung zur Zertifizierung möglich. Um dabei eine umfassende Qualitätsperspektive zu gewährleisten, werden alle relevanten Felder einer nachhaltigen Quartiersentwicklung abgedeckt. In die Bewertung fließen 46 Kriterien aus den Themenfeldern Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik, Prozesse und Standort ein. Werden diese in herausragender Weise erfüllt, erhält das Quartier das DGNB Zertifikat in der Kategorie Gold, Silber oder Bronze. „Den Aufbau eines Zertifizierungssystems für Stadtquartiere verstehen wir als wichtigen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit“, betont Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführerin der DGNB. „Viele große, aber auch kleinere Kommunen kommen mit zukunftsweisenden Konzepten zu uns und wir erhalten viel positive Resonanz auf unser Zertifizierungssystem. Es ist ein spannender und konstruktiver Austausch.“

Foto: NH ProjektStadt

Bürgermeisterin Gabriele Coutandin (2.v.r.), der Vorstand der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) Axel Kunze (r.), Auditor Rolf Messerschmidt (Eble Architektur, l.) und der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB), Prof. Dr. Bernhard Bürklin (2.v.l.), bei der Überreichung der DGNB-Zertifizierungsurkunde auf dem Expo-Real-Messestand der NH ProjektStadt.
Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte / Wohnstadt ist eines der führenden deutschen Wohnungsunternehmen: mit rund 62.500 Wohnungen an 157 Standorten, über 30 Niederlassungen, Geschäftsstellen und Büros in Hessen und Thüringen sowie rund 750 Mitarbeitern. Sie bietet seit 90 Jahren umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Bauen und Entwickeln und hat in dieser Zeit rund 180.000 Wohnungen gebaut – größtenteils für externe Bauherren. Die Unternehmensgruppe investiert jährlich ca. 80 Mio. Euro in Modernisierung und Instandhaltung des eigenen Bestandes.

Unter ihrer Marke „NH ProjektStadt“ werden Kompetenzfelder gebündelt, um nachhaltige Stadt- und Projektentwicklungsaufgaben sowie Consulting-Aktivitäten im In- und Ausland durchzuführen. Mit breit gefächertem Fachwissen ist das Unternehmen ein krisensicherer Partner für öffentliche, institutionelle und private Auftraggeber. Aktuell betreut die NH ProjektStadt Aufgaben in über 140 Kommunen in Hessen und Thüringen. Jährlich werden im Rahmen der Projektentwicklung rund 40 Mio. Euro in Neubauprojekte investiert.

Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH
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